Mikrobiom und Nervensystem - wie kann Glück zu einer erfolglosen Diät führen?

Mikrobiom und Nervensystem - wie kann Glück zu einer erfolglosen Diät führen? - activefibershake

Das Gleichgewicht des Darmmikrobioms, also der Darmflora, ist entscheidend für die Gesunderhaltung unseres Körpers und die Vermeidung chronischer Krankheiten. Die dort lebenden Darmbakterien produzieren wichtige Vitamine, stellen durch die Fermentation von Ballaststoffen gesunde Fettsäuren her, sorgen für einen normalen Kohlenhydratstoffwechsel, helfen bei der Verwertung von Nahrungsbestandteilen, verhindern die Ausbreitung von Krankheitserregern im Darm, tragen zu einer normalen Immunfunktion bei und vieles mehr. Zahlreiche Forschungsergebnisse der letzten Jahre weisen darauf hin, dass die Darmflora nicht nur unsere körperliche, sondern auch unsere psychische Gesundheit beeinflusst. - Dies wollen wir nun genauer unter die Lupe nehmen.

Unser „zweites Gehirn", das Darmhirn


Unser Verdauungssystem ist das Zentrum der Energieproduktion in unserem Körper und der Schlüssel zu unserem Überleben. Eine effiziente und gut funktionierende Verdauung ist entscheidend für unseren evolutionären Erfolg: Kein Wunder also, dass sie über eine eigene Steuerung verfügt.

Das Darmgehirn ist ein völlig autonomes Nervensystem, das aus etwa 500 Millionen Nervenzellen besteht und wissenschaftlich als enterisches Nervensystem (ENS) bezeichnet wird. Es ist in der Lage, den gesamten Prozess der Nahrungsaufnahme und Verdauung unabhängig vom zentralen Nervensystem zu steuern. Es ist direkt mit dem Gehirn verbunden: Der Vagusnerv zieht vom Gehirn zum Darm und stellt so eine direkte neuronale Verbindung zwischen beiden her.

Die Bedeutung des Darmgehirns geht weit über die Regulierung der Verdauung hinaus: Obwohl es keine Entscheidungen treffen oder Gedanken bilden kann, spielt es durch seine komplexe Beziehung zur Darmflora eine wichtige Rolle bei der Beeinflussung unserer Stimmungen, Gefühle und sogar unseres Gewichts!

Darm-Hirn-Achse: Machen uns gute Bakterien glücklich?


Die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn über den Vagusnerv ist seit langem bekannt. Neue Forschungsergebnisse der letzten Jahre zeigen, dass auch die komplexe Gemeinschaft von Mikroorganismen, die unseren Verdauungstrakt bevölkern, das Darm-Mikrobiom, ein wichtiger Akteur in diesem Gespräch ist: Informationen, Wünsche und Anweisungen fließen entlang der so genannten Darm-Hirn-Achse hin und her - und zwar überwiegend nicht vom Gehirn zum Darm, sondern umgekehrt! Darm und Gehirn senden sich mit Hilfe von Botenstoffen Signale, die von beiden Organen erkannt und verarbeitet werden können. Die Darmbakterien regen die Darmschleimhaut an, diese Hormone und Botenstoffe zu produzieren. Dazu gehören zum Beispiel die bekannten „Glückshormone" wie Serotonin und Dopamin. Erstaunlicherweise werden 90% des Serotonins und mehr als 50% des Dopamins im Darm produziert! Auf diese Weise beeinflussen unsere Darmbakterien unser Sozialleben, unsere Reaktion auf Stress, unsere Ängste, unsere Sucht nach bestimmten Nahrungsmitteln und sogar unsere Neigung zum Überessen.

Das Mikrobiom freut sich, wenn du Freunde findest


Die kleinen Bewohner des Darmmikrobioms haben ein großes Interesse daran, sich zu vermehren. Deshalb profitieren sie davon, wenn der Mensch sich wie ein soziales Wesen verhält und direkt mit seinen Mitmenschen interagiert. Tierversuche haben gezeigt, dass ein gesundes Darmmikrobiom auch dabei hilft, Beziehungen aufzubauen, Bindungen aufrechtzuerhalten und Spannungen zu
bewältigen. Bei Mäusen mit sterilem Verdauungstrakt wurde beobachtet, dass sie nicht in der Lage waren, mit ihren Artgenossen zu interagieren, und Symptome von Angst, Depression und sogar Autismus zeigten, wobei ihr Blut einen höheren Gehalt an Stresshormonen aufwies. Nachdem ihr Verdauungstrakt mit guten Bakterien besiedelt worden war, verringerten sich diese Verhaltensmerkmale. Das bedeutet, dass unser Darmmikrobiom die Reaktion des Nervensystems auf Stress und unser Sozialverhalten im Allgemeinen beeinflussen kann.

Eine gestörte Darmflora trägt zu Angst und Depression bei


Warum ist dieser Zusammenhang zwischen Darmmikrobiom und psychischem Befinden so wichtig? Fast 10% der Weltbevölkerung sind von Angstzuständen und Depressionen betroffen, die die Lebensqualität dramatisch beeinträchtigen und sich negativ auf zwischenmenschliche Beziehungen auswirken. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Zusammensetzung der Darmflora bei diesen Menschen charakteristische Unterschiede aufweist, mit mehr Arten von entzündungsfördernden Bakterien und weniger Arten von nützlichen Fettsäuren produzierenden Bakterien. Diese Entzündungssignale können sich über die Darm-Hirn-Achse negativ auf die psychische Gesundheit auswirken und so zur Entwicklung psychischer Störungen beitragen.

Die Darmflora bestimmt unsere Ernährung


Die vorherrschenden Bakterien in unserer Darmflora wollen überleben und sich vermehren, und dazu brauchen sie die richtige Nahrung im Dickdarm. Erhalten sie die richtige Nahrung, lösen sie die Produktion von Glückshormonen aus: Dieses gute Gefühl ermutigt die Menschen, diese Nahrung zu lieben und zu suchen. Sie setzen alles daran, ihr Überleben zu sichern - auch um den Preis, dass sie
unser Essverhalten beeinflussen. Wie gelingt ihnen das?

Überessen, erfolglose Diäten... es ist nicht der Wille!


Durch Botschaften an unser Gehirn beeinflussen sie unser Verlangen nach Nahrungsmitteln, die für sie vorteilhafte Nährstoffe liefern - und für konkurrierende Bakterien ungünstig sind. Einige Bakterien verlangen nach Zucker, andere nach komplexen Kohlenhydraten, wieder andere nach bestimmten Fettsäuren usw. Sie können sogar Unruhe und Unwohlsein auslösen, die nur durch den Verzehr der „gewünschten" Nahrungsmittel gelindert werden können. Ihre Methoden sind vielfältig: Sie können nicht nur unsere Stimmung, sondern auch unser Sättigungsgefühl und unseren Geschmackssinn beeinflussen. Wenn das Gleichgewicht der Darmflora gestört ist, nimmt die Vielfalt der Bakterien ab und einige Bakterien können dominant werden. Dies kann zu Überernährung, ständigem Heißhunger auf süße und fettige Speisen und einer übermäßigen Kalorienaufnahme führen, was ein direkter Weg zu Fettleibigkeit und damit verbundenen chronischen Krankheiten ist. Es ist also nicht (nur) eine Frage des Willens, übermäßiges Essen zu vermeiden oder Übergewicht loszuwerden: Neben psychologischen Hintergrundfaktoren kann auch unser Mikrobiom unser Essverhalten "hacken".

Wie können wir über die Darmflora eine Botschaft an das Gehirn senden?


Welche Möglichkeiten haben wir, auf natürliche Weise in die Darm-Hirn-Kommunikation einzugreifen? Wir wissen, welche Rolle probiotische Lebensmittel bei der Unterstützung der Darmflora spielen, aber wir wissen wenig über ihre Auswirkungen auf die Gehirnfunktion. In einer groß angelegten Studie, in der die Teilnehmer täglich probiotischen Joghurt zu sich nahmen, verbesserte sich die Stressreaktion der Probanden bereits nach 30 Tagen messbar. Zwar ist noch
nicht bewiesen, dass Probiotika Angstzustände und Depressionen in vergleichbarer Weise wie Medikamente lindern können, doch wurden beispielsweise durch die Einnahme von Bifidobakterien messbare Erfolge erzielt (und das ohne die Nebenwirkungen von Medikamenten). Probiotika, die sich
auch auf die psychische Gesundheit auswirken - Psychobiotika - sind ein spannendes neues Forschungsgebiet.

Etwas, das wir alle gut tun können, ist eine ballaststoffbewusste Alltagsroutine für eine ausgewogene Darmflora.

Neben dem regelmäßigen Verzehr probiotischer Lebensmittel (z.B. Produkte mit lebenden Bakterienkulturen und fermentiertes Gemüse) kann man viel für ein gesundes Mikrobiom tun, indem man wie empfohlen mindestens 30 Gramm Ballaststoffe pro Tag zu sich nimmt.

Die wasserunlöslichen Ballaststoffe, die in den schleimbildenden Psylliumfasern und in Hülsenfrüchten, Samen und Vollkornprodukten enthalten sind, unterstützen die Funktion des Verdauungssystems und helfen, chronischen Krankheiten vorzubeugen, indem sie die Regulierung des Cholesterin- und Zuckerstoffwechsels und die Ausscheidung schädlicher Stoffe unterstützen.

Es reicht jedoch nicht aus, nützliche Bakterien in den Verdauungstrakt zu bringen, wenn wir uns nicht um sie kümmern. Sie müssen überleben und sich vermehren, um die schädlichen Bakterien zurückzudrängen. Dazu brauchen sie die richtigen Nährstoffe, die ihnen wasserlösliche Ballaststoffe, auch prebiotische Ballaststoffe genannt, liefern (z.B. Inulin, Pektin und Guarkernmehl).

Und damit ist klar: Wenn unsere Darmflora im Gleichgewicht ist, können wir noch glücklicher sein. Es lohnt sich, darauf zu achten, nicht wahr? 😊

 

Verwendete wissenschaftliche Literatur:

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https://neurosciencestuff.tumblr.com/post/38271759345/gut-instincts-the-secrets-of-your-second-brain

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0166432814004768?via%3Dihub

http://www.pnas.org/content/108/38/16050https://www.scientificamerican.com/article/mental-health-may-depend-on-creatures-in-the-gut/

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